Dieter Reith, + 01.04.2020

 

„Gedanken an meinen Freund“

 

 

lassen Sie mich ein paar Worte sagen zu dem Menschen, von dem wir hier Abschied nehmen - ein humanistisch gebildeter Mensch mit vielerlei Kenntnissen und Talenten, voller Wachsamkeit und Energie, ein Meister der Tasten an Klavier und Orgel, ein großer Geist im Setzen von Noten - sei es in orchestralen Partituren oder Arrangements für die Combo- , ein Gratwanderer zwischen allen musikalischen Genres, ein geschmackvoller Analytiker im Erfassen des musikalischen Geschehens um ihn herum, kurz: ein musikalisches Alpha-Tier.

 

Kennengelernt habe ich Dieter bei den Jazz-Matinéen des Süddeutschen Rundfunks, wo er eigene Kompositionen und Arrangements ebenso wie die im Laufe dieser Reihe ins Leben gerufenen Volkslied-Bearbeitungen beigesteuert hatte. Aus seinem Vertrauen zu mir entstand eine erste Zusammenarbeit bei den Filmmusiken zu 3 Folgen von „Ein Fall für Zwei“ mit Claus Theo Gärtner und Günter Strack. Eine Musik ganz nach meinem Geschmack, erinnerte sie mich doch deutlich an die großen amerikanischen Vorbilder. Es gab dann noch ein paar weitere Berührungspunkte bei verschiedenen Verlagsproduktionen, bis Dieter dann im Fleckenweinberg 21 sein eigenes Studio - DRM, Dieter Reith Musikproduktion - einrichtete. Dort war ich nach der Auflösung meines eigenen Studios häufiger Gast bei vielerlei Produktionen. Unter anderem entstand da eine Verlagsproduktion vom Theis-Musikverlag, aus der wir im Anschluß einen von Dieter komponierten Titel hören werden, der ihm ganz besonders am Herzen gelegen hat.

 

 

Im Laufe der Zeit erfuhr ich mehr über Dieters musikalischen Werdegang.

 

Er hatte mit der Unterstützung seiner musikalischen Familie das Klavierstudium bei Prof. Kurt Herrmann begonnen und im häuslichen Kreis am kammermusikalischen Spiel klassischer und romantischer Literatur mitgewirkt. Disziplin und Ordnung, die Lebensprinzipien seines Vaters, waren dann letztendlich aber wohl doch nicht so sehr sein Ding. Er schlich sich abends aus dem Haus, um in der Katakombe, einem Jazzclub im Mainz der Nachkriegszeit, mit den dort spielenden Musikern zu jammen. Dort spielte man die Musik, an der er sich weiterhin zunehmend orientierte.

 

Für die große Fernsehunterhaltung eines Heinz Kiesling, Rolf-Hans Müller, Alfred Hause, Peter Thomas oder Willy Berking war er zu spät geboren. Diese Positionen waren vergeben. Das hat er oft bedauert. Nichtsdestotrotz hat er seinen Platz gefunden - immer irgendwo zwischen Kunst und Kommerz, nie auf dem extremen Ende nur einer Seite, aber immer mit Herz und Seele und vollem Einsatz dabei.

 

Vor der Zeit, in der ich ihn kannte, hatte er bereits in allen Bereichen seine Spuren hinterlassen. Produktionen bei SABA in Villingen-Schwenningen - für Hans-Georg Brunner-Schwer spielte er den schweren Groove, den der so liebte. Vorabendunterhaltung im Fernsehen mit Catherina Valente ebenso wie jazzige Produktionen mit der Hammond B3. Eine bahnbrechende Aufnahme entstand 1974 mit der Sängerin Bibi Johns in Baden-Baden: Kristallen den fina, eine zeitlos schöne Umsetzung schwedischer Volkslieder mit einer gemischten Besetzung - heute würde man das wohl Weltmusik nennen. Der absolute Hammer aber war für mich die Fernsehübertragung der Vorentscheidung zum Grand Prix d´ Eurovision in München, heute nennt man diese Show wohl „Eurovision Song Contest“. Das war damals eine Livesendung mit Sängern, Band, Chor und Streichern aus München, von Dieter perfekt gesetzt - und congenial eingefangen vom inzwischen verstorbenen Tonkollegen Jörg Scheuermann, Bayrischer Rundfunk, aber es klang wie eine Studioproduktion.

 

Mit keinem anderen Musiker habe ich dieses Gefühl der Vertrautheit, des nonverbalen Sichverstehens in dieser Intensität entwickeln können - dieses Gefühl, als hätten sich zwei Geiste miteinander verbunden. Mit ihm zusammen kannte ich das sichere Gespür, ob etwas geschmackvoll und stimmig oder einfach leicht daneben war. Er wäre ein guter Tonmeister geworden, wenn ... ja wenn er nicht einfach zu viele andere tolle Talente gehabt hätte.

 

Dieter war so qualifiziert, den konnte man überall hinstellen, der hat alles gemeistert. Aber er hat sich nie für oder gegen etwas positioniert, und war damit keine Identifikationsfigur für Otto Normalverbraucher. Seine Qualitäten wussten vielleicht nur die zu schätzen, die enger mit ihm zusammengearbeitet haben.

 

Viele Jahre haben wir gemeinsam die RSO Abo-Konzerte besucht und wir waren da vielleicht ein wenig wie die beiden Alten aus der Muppetshow, die da im Balkon sitzen und über alles herlästern. Legendär sein Spruch bereits bei Auftrittsapllaus: Nana, erst mal was leisten. Oder nach dem wöchentlichen Tatort miteinander telefoniert, um natürlich, neben dem in letzten Jahren immer verworrener werdenden und volkspädagogischen Plot auch über die Filmmusik zu sprechen, die immer mehr klingt wie im Supermarkt nebenan gekauft. Reines Abspielen von Softwaresequenzen. Wer ihn kannte, kannte auch sein (natürlich nur halbernst gemeintes) Urteil: Kenn ich nicht, kann nichts sein.

 

Wer bestätigt oder widerspricht jetzt meiner Einschätzung von musikalischen Events ? Wo bleiben die Telefonate über Gott und die Welt ? Mit wem die irdschen Freuden und die Seelenpein besprechen ?

 

Dieter, ich werde Dich vermissen.

 


Dieters Hammond B3 steht jetzt im MPS Studio

 

 

Chris Reith, Dieters Witwe, übergibt Dieters Goldene Schallplatte für die Komposition / das Arrangement der Olympia Einzugsmusiken 1972 zu treuen Händen an Friedhelm Schulz, damit sie im MPS Studio Villingen/Schwenningen einen würdigen Platz findet. In der Nähe der Orgel.

Und der neue Platz, an dem die B3 jetzt steht. Ganz dicht neben dem Bösendorfer Imperial, auf dem schon Oscar Peterson seine legendären SABA/MPS Einspielungen machte.


Eine Auswahl der Aufnahmen, die in den letzten Jahren seines Schaffens entstanden sind. Unikate, von denen ich nur deshalb weiß, weil sie als mp3 in meinem Archiv schlummern.